Über Clerasil und Bonanza-Rad können alle lachen

Jess Jochimsen gastiert beim "Blauen Montag"

Jeden Montagabend zeigen im Tempodrom Kabarettisten und Komödianten beim "Blauen Montag" ihr Können. Die Berliner Zeitung stellt an dieser Stelle regelmäßig Künstler vor, die dort auftreten.

Dass die Grundwerte, Erfahrungen und Identitätspunkte einer ganzen Generationen auf eine Hand voll Konsumprodukte und TV-Serien zusammengefasst werden können, hat Florian Illies für die "Generation Golf" bereits erfolgreich vorgeführt. Die Programme des Freiburgers Jess Jochimsen ("Friss, vögel oder stirb!" und "Das Dosenmilch-Trauma") funktionieren ganz ähnlich. Ob Bonanza-Rad, Wickie der Wickinger, Brauner Bär, Clerasil oder "La Boum – Die Fête"; es genügen wenige Stichworte und scheinbar ganz persönliche Anekdoten aus einer Jugend, um seinen Altersgenossen die Schamesröte ins Gesicht zu treiben: Genauso war s bei mir auch. Und plötzlich wird eine Comedyshow zum Klassentreffen, und kollektiv werden die Peinlichkeiten aus Schulalltag, Pubertät und dem anstrengenden Weg des Erwachsenwerdens noch mal durchlebt.

Was den 1970 geborenen Jess Jochimsen jedoch von manchem so genannten Popliteraten und vielen Kollegen der Stand-Up-Comedy unterscheidet: Er nutzt zwar die Schnelligkeit, die pointierte Zuspitzung von grotesken und aberwitzigen Alltagtagssituationen, aber er wagt bei allem perfekt dargebotenem Entertainment auch das politische Kabarett neu zu beleben. Ob die Abrechnung mit der nun zu Eltern gewordenen 68er Generation aus der Warte der antiautoritär erzogenen Kinder ("Mama und Papa hatte ich nicht – ich musste immer Eberhard und Renate sagen!") oder mit seinen FDP-wählenden Altersgenossen der verwöhnten Spaßgeneration; Jochimsens rotzige Monologe verharren nicht an der selbstironischen Beschreibung, sondern er versucht mit intelligenten Argumentationsstrategien Widersprüchlichkeiten aufzudecken und das Politische im Alltäglichen zu zeigen. Dass er dabei zwar stets charmant, bisweilen aber auch ziemlich hinterhältig ist, gehört zum Geschäft. Dass er sich aber auch als ein komödiantisches, parodistisches und sogar musikalisches Talent entpuppt, ist hingegen nicht selbstverständlich.

"Blauer Montag": 10. 2., 20 Uhr, Tempodrom, kleiner Saal. Weitere Gäste: Frank Lüdecke, Wiglaf Droste, Bianca Castasiore u.a. Die Berliner Zeitung hat für diesen Termin zehnmal zwei Freikarten. Die Nummer 23 27 81 00 ist heute von 11 bis 11.15 Uhr geschaltet.

Axel Schock

© Berliner Zeitung, 04.02.2003