Ich bin Irmgard, Hildes kleine Schwester

"Blauer Montag" mit Ulrich Michael Heissig

Die stets zu kurz gekommene Zwillingsschwester Hildegard Knefs verkörpert der Berliner Kabarettist Ulrich Michael Heissig manchmal fast zu perfekt. Nach einem Auftritt bei Jürgen Fliege zollten ihm gerührte Zuschauerinnen ihren Respekt für das mit so viel Kraft und Courage gemeisterte Schicksal. Bis zuletzt schien ihnen nicht aufgegangen zu sein, dass sie mit Irmgard Knef eine Kunstfigur erlebt hatten. Freilich eine, die bis ins letzte Wimpernzucken und nervöse Räuspern durchgestaltet ist.

Heissigs erstes Programm als Irmgard Knef war eine liebevolle Hommage an die Schwester. Mit einer klassischen Imitation oder Parodie hatte und hat das aber kaum etwas tun. Deshalb kann Heissig seine Figur auch nach Hildes Tod weiter auftreten lassen, ohne pietätlos zu wirken. Längst steht Irmgard nach einem halben Leben im Schatten der Schwester selbst im Rampenlicht. Im neuen Programm "Schwesternseelenallein" (27.2. bis 11. 3. in der Bar jeder Vernunft) singt Irmgard zwar immer noch bekannt schnoddrig-nuschelnd, aber statt Knef-Klassiker mit neuen Texten zu interpretieren, hat sich das Repertoire erweitert: um jazzige Chansons von Gershwin und eigens geschriebene Songs von Benedikt Eichhorn und Rainer Bielfeldt.

Heissig ist nicht mal halb so alt wie sein Bühnen-Alter-Ego, aber seine Irmgard versprüht die Lebensweisheit einer 76-Jährigen, die – wie Hilde – eine Kämpferin gegen Spießigkeit und verlogene Moral ist. Lakonisch und unsentimental lässt sie das Publikum an ihren Abenteuern teilhaben. Die sind traurig, wahrhaftig – und wirklich komisch.

Blauer Montag: 24. Feb., 20 Uhr, kleiner Saal des Tempodrom. Weitere Gäste u.a. Gabi Decker, Wiglaf Droste, Wolfgang Nitschke, Andreas Scheffler, Chin Meyer und Steve Day.

Axel Schock

© Berliner Zeitung, 18.02.2003