In schlechten Zeiten wird gerne gelacht

Die Berliner Comedyclubs haben eine alte Unterhaltungstradition wieder belebt – den "Bunten Abend"

Für Arnulf Rating ist die traditionelle Verschlagwortung die unpassendste Bezeichnung für das, was er jeden Montag im Tempodrom mit auf die Beine stellt und moderiert: "Bunter Abend", das klinge nach Open-Stage mit mäßig talentierten Debütanten der Unterhaltungskultur. Den "Blauen Montag" bestreiten jedoch weitgehend Profis. Ein Dutzend Chansonniers und Comediens, Kabarettisten der alten Schule, Akrobaten oder Poetry-Slammer wechseln einander in einem straff organisierten Zweieinhalb-Stunden-Programm ab und haben zwei, drei Nummern Zeit, die Gunst des Publikums zu erobern.

Rating selbst nennt seine Show lieber "lebende Stadtrevue". Einerseits, weil Künstler, die gerade in der Stadt gastieren, mit Kostproben aus ihren Programmen zu erleben sind; andererseits, weil allmonatlich ein anderer Stadtbezirk als Leitmotiv den Abend bestimmt. Im September ist es Friedrichshain-Kreuzberg. Am Montag ließ sich das dicht gedrängte Publikum durch Beppo Pohlmann von den Gebrüdern Blattschuss die heimliche Bezirkshymne "Kreuzberger Nächte" in Erinnerung rufen und sich von Irmgard Knef von der letzten Trotzkistin Kreuzbergs berichten – während man die beiden jüngsten Künstler des Abends, Frank Wolf und Ali mit ihren BMX-Rädern, offensichtlich geradewegs von einem Schulhof in SO 36 weg engagiert hat. Und weil das Graf Koks Trio hier und da einen Tusch einbaute und einen die Kleine Arena des Tempodroms baulich schon daran erinnert, kam alsbald so etwas wie Zirkusstimmung auf.

Nur wenige Kilometer Luftlinie entfernt sorgt Thomas Hermanns für gute Laune. Die Besucher im Quatsch Comedy Club sind wild entschlossen, sich einen netten Abend mit Tacos und TV-Stars zu machen; wenn Hermanns sie beim Warm-up nach ihrer Herkunft fragt, ist vom thüringischen Dorf bis Stuttgart alles dabei. In der plüschigen Atmosphäre der Kleinen Revue des Friedrichstadtpalasts entsteht schnell Stimmung. Zur Rampe ist es nicht weit; hier können Funken überspringen, und wer im Saal sitzt, giert nur danach, Feuer zu fangen.

Anders als der "Blaue Montag" beschränkt sich die "Club Mix"-Show auf vier Gäste; ausnahmslos Comediens, die meisten davon bekannt aus dem Fernsehen, im Zweifelsfall aus Hermanns Pro7-Sendung. Der "Klubmix" ist das "Filetstück" des Spielplans, so der Hausherr: "Erst im Laufe der Monate wurden die Programme für die Wochentage drum herum und die diversen Nebenreihen entwickelt." Und weil sich inzwischen in Berlin die Comedykultur enorm entwickelt habe, sei die Stadt für auswärtige Künstler attraktiver geworden. Längst sieht Hermanns Berlin gleichrangig mit der bisherigen Humormetropole Köln. "Dort mag man es eher karnevalistischer und schenkelklopfend. Der Berliner Humor ist tougher und subversiver."

Wie es klingt, wenn Berliner ihren Humor öffentlich machen, ist regelmäßig im Kookaburra Klub zu erleben – wenn etwa Rolf Kuhl in die Fußstapfen eines Wolfgang Grunert tritt und kauzig den Hauptstadtalltag kommentiert. Drei Jahre stand die denkmalgeschützte Sparkassenfiliale an der Schönhauser Allee leer, bis sie der Inder Sanjay Shihora und seine deutsche Ehefrau Svenja entdeckten und renovierten. "Wir wollen Kultur anbieten, die man sich täglich leisten kann", erklärt Shihora. Deshalb kostet auch der Eintritt nicht mehr als eine Kinokarte. So war der Entertainer es aus London gewohnt, wo er jahrelang gelebt und gespielt hat. Nun tingelt er mit seiner Frau weiter durch die Welt und finanziert mit den Gagen den eigenen Laden mit. Ein Haus von Künstlern für Künstler soll es ein. Und sich irgendwann in der Zukunft vielleicht mal selbst tragen.

Die Atmosphäre hat etwas von Kneipentheater. Nicht nur, weil die Speisekarte weit über Tacos hinausgeht. Die Bühne ist klein, merklich niedriger als etwa beim Quatsch Comedy Club, sowohl Anfänger als auch Szenestars treten hier auf. Im Sommer wurde das Kookaburra-Konzept leicht geändert: Mixshows gibt es nur noch an zwei Wochentagen, stattdessen teilen sich häufiger zwei Künstler einen Abend oder haben Soloshows. Auch ein Versuch, sich gegenüber den Mitbewerbern in der Berliner Comedyszene zu behaupten, schließlich kommt im November mit dem "Lachwerk" noch eine weitere monatliche Mixshow in der Ufa-Fabrik hinzu.

Eine Übersättigung des Marktes fürchtet keiner der Betreiber: "Publikum ist für alle Comedyclubs ausreichend da. Berlin hat schließlich auch drei Opernhäuser", findet Thomas Hermanns. "In London oder New York können auch Dutzende Bühnen parallel nebeneinander existieren", sagt Sanjay Shihora und schaut einen dabei ganz zuversichtlich an. "Gerade in schlechten Zeiten wird sehr gerne gelacht."

Blauer Montag, Kleine Arena im Tempodrom (Möckernstraße 10, Telefon 308 785 685), jeden Mo um 20.00 Uhr.
Kookaburra Comedy-Club (Schönhauser Allee 184, Tel. 48 62 31 86), "KoMix" am Mi und Do um 20.30 Uhr.
Quatsch Comedy Club (Friedrichstraße 107, Tel. 308 785 685), "Club Mix" von Do-Sa um 20.30 Uhr.

Axel Schock

© Berliner Zeitung, 05.09.2003